Flugblatt vom 12. November 2015. Wurde an der Bürger_innenversammlung im Frankfurter Römer verteilt
„Wir treiben als Stadt die Wohnbaulandentwicklung stark voran, stellen erhebliche Fördermittel für den Wohnungsbau zur Verfügung, erarbeiten Milieuschutzsatzungen und verpflichten Investoren im Rahmen neuer Bebauungsplanverfahren zum Bau von geförderten Wohnungen. Die ABG Frankfurt Holding flankiert unser Bestreben durch ihr starkes Engagement im geförderten Wohnungsbau. Das sind so kurz vor Weihnachten äußerst gute Nachrichten für alle, die in Frankfurt auf eine preisgünstige Mietwohnung angewiesen sind.“
Dieses „Weihnachtsgeschenk“ präsentierte der grüne Bürgermeister Cunitz im Dezember 2014, also vor fast genau einem Jahr. Frankfurt – die Erfolgsgeschichte!? Aber wo sind sie geblieben, die „äußerst guten Nachrichten“ für 2015, die versprochenen „preisgünstigen Mietwohnungen“? Wo ist das „Frankfurt für alle“, das im Kommunalwahlkampf gerade wieder alle Parteien zur obersten Maxime ihrer Politik erklären?
Die Realität sieht anders aus: Beim Wohnungsneubau wurde über Jahre (fast) nur das Luxussegment bedient, zu besichtigen nicht nur im Europaviertel, sondern in allen innenstadtnahen Stadtteilen. Für Menschen mit niedrigem oder geringem Einkommen ist das Recht auf Wohnen in der boomenden „Finanz-Metropole“ faktisch abgeschafft. Menschen mit und ohne Papiere müssen sogar in wachsender Zahl auf der Straße leben, zeitgleich werden soziale Wohnprojekte verhindert und Wohnungen geräumt. Flüchtlinge werden – bestenfalls – in Turnhallen einquartiert, während in Niederrad oder im Bahnhofsviertel massenhaft Büroraum leer steht.
Um solchen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen, hat sich im April 2015 unsere Kampagne „Eine Stadt für Alle! Wem gehört die ABG?“ gegründet, getragen von Aktiven aus stadtpolitischen Initiativen, Stadtteilgruppen, Einzelpersonen und Mieter_innen-organisationen. Für uns ist die herrschende Stadtpolitik alles andere als ein „Erfolgsmodell“. Nicht nur die privaten Immobilieninvestoren, auch die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft ABG-Holding arbeiten profitorientiert. Gerade von der ABG als eine der größten wohnungspolitischen Akteurinnen der Stadt kann und muss aber eine Signalwirkung für eine soziale Wende am gesamten Wohnungsmarkt und für die Stadtentwicklung insgesamt ausgehen. Unsere Initiative zielt daher auf grundlegende Veränderungen in der Rhein-Main-Region – beginnend bei der ABG.
Für uns ist ein erster Schritt in Richtung der Schaffung einer wirklichen „Stadt für alle“ eine demokratische Wohnungsbaugesellschaft, die nicht im Sinne der Marktlogik Eigentums- und Mietwohnungen für die Gut-Betuchten schafft, sondern Wohnraum für diejenigen zur Verfügung stellt, die der „freie Markt“ systematisch aus der Stadt drängt. Neben Geringverdiener_innen sind das in der aktuellen Situation auch und besonders Geflüchtete und Menschen ohne Papiere. Ein kommunales Unternehmen wie die ABG, das 68 Mio. Euro Jahresgewinn erzielt, könnte bei der Bewältigung der aktuellen Notlagen problemlos eine aktive Rolle einnehmen und z.B. dem Project Shelter ein geeignetes Objekt für ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum zur Verfügung stellen.
Stattdessen werden uns Herr Cunitz und die anderen Vertreter_innen der herrschenden Stadtpolitik auf der heutigen Bürgerversammlung wohl neue „Weihnachtsmärchen“ auftischen. Ohne Druck von unten bleibt die Frankfurter Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik eine „never ending story“. In diesem Sinne: Unsere Kampagne ist offen zum Mitmachen und langfristig angelegt, auch über die Kommunalwahlen hinaus. Wir informieren und planen Aktionen. Wir organisieren uns, um zu bleiben: In unseren Wohnungen, in unseren Stadtteilen, in unserer Stadt, in unserer Region!