- Mieterdialog endet im Chaos und lässt viele Fragen offen
- Eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum beim stadtweit umfassendsten Nachverdichtungsprojekt mit 700 neuen Wohnungen
Der für den Abend des 12. September angekündigte Mieterdialog zur Entwicklung der Platensiedlung weckte bei den ansässigen ABG-Mieter_innen große Hoffnungen nun endlich in die Planungen zur Nachverdichtung einbezogen zu werden. Bereits vor über einem Jahr hatte die in den Ginnheim Housings aktive Mieterinitiative auf dem Stadtteilfest in der Siedlung die Forderung nach Mitbestimmung über die Zukunft ihres Viertels öffentlich gemacht. Entsprechend waren zahlreiche Bewohner_innen gekommen, um dringende Fragen loszuwerden.
Die Rahmenbedingungen der Abendveranstaltung wirkten vielversprechend – neben dem ABG-Chef Junker waren ein halbes Dutzend beteiligter Architekt_innen, Mitarbeiter_innen der ABG sowie ein Prozessbegleiterin anwesend. Der Saal war in Kleinsitzgruppen bestuhlt – kleine Info-Flugblätter der ABG lagen aus – die Zeichen standen auf Austausch.
Was folgte war für viele enttäuschend. Auf vorbereiteten Power Point – Folien präsentierten die beauftragten Architekt_innen vom Architekturbüro Stefan Forster den anwesenden Mieter_innen ihre Vorstellungen der Zukunft der Platensiedlung. Die lockere Zeilenbebauung mit den großzügigen Grünflächen soll – laut diesen Planungen – mittels sogenannter Torhäuser verbunden werden, die bestehenden Zeilen werden zweigeschossig aufgestockt. Die anwesenden Mieter_innen – auf diese Weise vor vollendete Tatsachen gestellt – forderten Erläuterungen an einem Lageplan, der eilig herbeigeschafft werden musste. Hartnäckige Nachfragen störten den Ablauf der Hochglanzpräsentationen, eine Mieterin äußerte im Plenum ihre Enttäuschung wiederum nicht in die Planung einbezogen zu werden. Denn klar ist, außer bei den Details der Außenanlagengestaltung gibt es kein Mitspracherecht für die geladenen Mieter_innen. Eine Verweis auf die Möglichkeiten der „thematischen Begrünung“ der Innenhöfe kann daher nur schlecht darüber hinwegtäuschen, dass die Schaffung von Privatgärten für die Erdgeschossmieter_innen, die bisher gemeinschaftlich nutzbaren Außenflächen beschneidet – und das bei einer Verdreifachung der Bewohner_innen im Quartier. Bei den Mieter_innen bestehen Zweifel, dass diese Maßnahme geeignet ist, die „Lebensqualität für die Mieter zu verbessern“ (PM ABG 07.07.16).
ABG-Chef Junker rechtfertigt die enorme Verdichtung des Viertels grundsätzlich mit der Zielsetzung bezahlbaren Wohnraum in Frankfurt zu schaffen. „Bei genauer Betrachtung wird aber deutlich, dass nur ein Teil der Wohnungen für niedrige Einkommensgruppen bezahlbar sein wird. Damit setzt die ABG auch in der Platensiedlung ihre Strategie fort, Wohnraum für Besserverdienende zu schaffen.“, kommentiert Andrea Kempkes von der Kampagne „Eine Stadt für alle! Wem gehört die ABG?“. Fünfzig Prozent der Wohnungen sollen öffentlich gefördert sein. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die die städtische Wohnungsbaugesellschaft in der Platensiedlung 350 freifinanzierte Wohnungen im oberen Preissegment errichtet – im Neubau vermietet die ABG für 12,50€ Nettokaltmiete pro Quadratmeter. Von dem Anteil öffentlich geförderter Wohnungen wird wiederum lediglich ein Bruchteil Sozialwohnungen (1. Förderweg) sein – viel zu wenig um dem jahrelangen Schwund beim Sozialwohnungsbestand in Frankfurt entgegen zu wirken. „Auch beim Mega-Nachverdichtungsprojekt wird die kommunale Wohnungsgesellschaft ABG von der Stadt nicht angemessen in die Verantwortung genommen, Wohnungen für jene zu schaffen, die sich am Wohnungsmarkt nicht ausreichend mit Wohnraum versorgen können. Diese Vernachlässigung beim Sozialwohnungsneubau hat bei der ABG System.“, kritisiert Kempkes und erläutert: „Beim ABG-Neubau neben dem denkmalgeschützten Bockenheimer Depot wurde keine einzige Sozialwohnung geschaffen, unter den 165 Neubau-Wohnungen der ABG in Niederrad ist ebenfalls keine Sozialwohnung und in der Cordierstraße im Gallus wurden unlängst sogar Sozialwohnungen abgerissen.“
Der Slogan „Wohnen für alle“ steht bei der ABG eben nicht für sozialverträgliche Mieten, sondern einen bunten Wohnungsmix von Klein- bis Großwohnungen, werden die Mieter_innen vom ABG-Chef Junker im Titus-Forum belehrt. Diese lassen sich mit solchen Blasen nicht abspeisen. Der Abend endet in einem Durcheinander von aufgeregten Mieter_innen, die die Planer_innen mit ungeklärten Fragen bestürmen. „Die ABG und die Stadt wären gut beraten, die Aufregung beim Mieterdialog als Ausdruck des Partizipationswillens der Bewohner_innen ernst zu nehmen und ihnen als Expert_innen für ihr Viertel echte Mitbestimmungsrechte zuzugestehen.“, fordert Andrea Kempkes von der Kampagne abschließend.