Scharfe Kritik an der Vermietungspraxis der Schader-Stiftung seitens Frankfurter Mieterinnen und Mietern

Wir wurden gebeten, den offenen Brief der Mieter*innen der Thudichumstraße 18-22 in Frankfurt zu Händen der Schader-Stiftung zu veröffentlichen.

 

Offener Brief: Umbauarbeiten und Investitionsstau – Wir haben genug

Sehr geehrter Herr Gemeinhardt, sehr geehrter Herr Schader,

wir wenden uns an Sie als vertretungsberechtigte Vorstände der Schader-Stiftung, die Eigentümerin unseres Mietshauses ist und dort Sanierungsarbeiten beauftragt hat. Seit Wochen sind in unserem Wohn-Hochhaus in Rödelheim Bauarbeiten im Gange, die von der Hausverwaltung VEGIS Immobilien betreut werden. Dabei wird auf Grund von Planungsmängeln in nicht akzeptabler Weise in die Privatsphäre der Mieter*innen eingegriffen. Die Maßnahmen bieten perspektivisch keine Verbesserung und sind ökologisch fragwürdig. Dies alles geschieht ohne dass anständig kommuniziert, geschweige denn ein Mitspracherecht eingeräumt würde. Wir erachten das Vorgehen für eine Stiftung, die sich selbst zum Ziel setzt, nachhaltige und sozialverträgliche Beiträge zur Bewältigung der Wohnungsfrage zu liefern und demokratisches Gemeinwohl zu fördern, als unwürdig. Wir haben genug.

 

Wir haben am Sonntag 15. Oktober 2017 im Rahmen einer selbst organisierten Mieter*innen-Versammlung, an der rund 50 Personen teilgenommen haben, folgende Kritikpunkte und Forderungen zusammengetragen.

Seit Mitte März sind Arbeiten zum Neubau eines Supermarktes direkt angrenzend an das Hochhaus im Gange, wobei der Abriss des ehemaligen Gewerbetraktes mit einherging. Informiert wurden wir darüber in der Woche des Baubeginns. Kurzfristig erfolgte eine zweite Ankündigung von Sanierungsarbeiten, die alle rund 150 Wohnungen des Hauses betreffen. Seit Sommer laufen umfassende Bauarbeiten zur Umstellung der Warmwasserversorgung von derzeit zentraler auf elektrische in den Mietwohnungen. Die Baumaßnahmen wurden uns vollmundig als „Verbesserung“ angekündigt, dennoch gab es viel offene Fragen und Unsicherheiten, weshalb wir uns individuell wie kollektiv an die Verwaltung richteten und u.a. eine Informationsveranstaltung forderten. Da auf all dies keine Reaktion erfolgte, fand nun die selbstorganisierte Mieter*innen-Versammlung statt.

Die Teilnehmenden fordern Antworten auf die dringendsten Fragen: Wie werden Fluchtwege, die ursprünglich auf die alsbald zugebaute Seite des Hauses führten, und Brandschutz sichergestellt; wie wirkt sich die Umstellung der Warmwasserversorgung reduzierend auf Nebenkosten und steigernd auf den Stromverbrauch aus; wie wird sich der neue Supermarkt auf die Verkehrslage auswirken; wie sieht die mittel- und langfristige Planung zur Sanierung des Hauses aus, denn der Investitionsstau in den Wohnungen, wie im Eingangsbereich/Treppenaufgang/Aufzug ist offensichtlich.

Keine der Fragen ist bis heute beantwortet worden, stattdessen haben die Bauarbeiten begonnen und wir werden kurzfristig mittels Briefen vor den Haustüren oder mittels Aushängen, die manchmal gänzlich unverständlich sind, über Abschaltungen und Beeinträchtigungen der Warmwasser- und Stromversorgung, des Telefon- und TV-Anschlusses sowie über vorübergehende Schließungen der Tiefgarage informiert. In Teilen erfolgen Abschaltungen von Warmwasser und Strom auch ohne Ankündigung.

In den Wohnungen, in denen die Arbeiten akut sind, wird das unverschämte Vorgehen besonders deutlich: Die Arbeiten erfolgen in hohem Maße unkoordiniert und dauern dadurch sehr lange. Bis zu 24 Tagen am Stück wurde in einzelnen Wohnungen Wasser, warm wie kalt, in Gänze und Strom mit Unterbrechungen abgeschaltet, Löcher in der Wand tagelang nicht geschlossen und Arbeiten ohne ersichtlichen Grund ausgesetzt, Küche und Bad sind in der Zeit praktisch unbenutzbar. Die Endreinigung wird nicht anständig vorgenommen. Ohne Klopfen oder ähnliches betreten Handwerker*innen die Wohnungen – dies bisweilen auch samstags. Die Hausverwaltung hat zumindest für Ersatzduschen gesorgt, diese sind aber nicht barrierefrei. In einem Haus, wo viele Menschen mit körperlichen Einschränkungen wohnen, ist das nicht hinnehmbar. Die dort installierten Warmwasserboiler sind mangelhaft, Schlange stehen und kalt duschen ein Dauerzustand. Was für Einzelpersonen und Berufstätige noch gerade handhabbar ist, ist für Familien, Rentner*innen und Menschen mit Behinderung eine Zumutung.

Da auf einen Lastenlift an der Fassade des Hauses verzichtet wurde, sind die Aufzüge dauerhaft überlastet und es ergeben sich Wartzeiten bis zu 10 Minuten. Wer gut zu Fuß ist nimmt die Treppe – nur, viele sind dies nicht. Und der Treppenhauszugang ist nicht mehr durch den Haupteingang im Erdgeschoss erreichbar. Zusätzlich belastend kommt hinzu, dass im Zuge der Arbeiten für den Supermarkt der bestehende Fahrradabstellraum im EG ersatzlos gestrichen wurde. Räder werden nun nass und verdreckt in den Wohnungen oder notgedrungen in den Fluchtwegen abgestellt. In einer Stadt wie Frankfurt und insb. in unserem Hochhaus, wo immer mehr Menschen Fahrrad fahren und viele Kinder wohnen, für 150 Wohnungen keine barrierefreie, gut ausgestattete und sichere Abstellmöglichkeit für Fahrräder zur Verfügung zu stellen, erachten wir als ignorant und dreist. Wir fordern eine baldige Lösung dieser Situation.

Auch nach Abschluss der Maßnahmen erwarten wir keine Verbesserung: Gefährdung durch auf Putz liegende, quer durch ganze Wohnungen gezogene Starkstromleitungen, eine Verschlechterung der Notausgänge sowie des Zugangs zum Treppenhaus, steigende Stromkosten durch die elektrische Warmwasseraufbereitung, massive Reduzierung des Wasserdrucks, verminderter Zugang zur Müllentsorgung, Mangel an Fahrradabstellplätzen, mehr Autoverkehr wegen des Supermarktes, Verschlechterung der Parksituation in der Tiefgarage etc. Wir hegen zudem erheblichen Zweifel daran, dass die Umbauarbeiten ökologisch sinnvoll und nachhaltig sind. Alles in allem gestalten sich die Maßnahmen im besten Fall als Bastellösungen, keinesfalls aber als adäquate Sanierung einer jahrelang vernachlässigten Bausubstanz.

Insgesamt verantworten Sie als Eigentümerin nicht nur endlose Ärgernisse bei den von den Baumaßnahmen betroffenen Mieter*innen, sondern verletzen tagtäglich ihre Sorgfaltspflicht im Umgang mit dem von uns bewohnten Mietshaus. Wo dies hinführen kann, hat die Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower oder die Evakuierung des Hochhauskomplex Hannibal II in Dortmund gezeigt. Soweit darf es die Schader-Stiftung nicht kommen lassen!

Daher fordern wir Sie als Eigentümerin dazu auf

  • umfassend über die oben formulierten Fragen zu informieren und Lösungen für die genannten Probleme anzubieten;
  • als Entschädigung für die Beeinträchtigungen von März bis zum Abschluss des Supermarkt-Neubaus jeder Mietpartei eine pauschale Mietminderung von monatlich 10% zu gewähren (Individuell geltende, höhere Ansprüche bleiben davon unberührt);
  • einen reibungslosen und beschleunigten Ablauf der Baumaßnahmen in den einzelnen Wohnungen sicherzustellen sowie in Härtefällen – etwa wenn Kinder, Rentner*innen und Menschen mit Behinderung betroffen sind und Bauarbeiten in Wohnungen länger als eine Kalenderwoche andauern – Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen;
  • die Hausverwaltung mit den nötigen Mitteln und Personal auszustatten, um zeitnah und kompetent unsere Anliegen zu bearbeiten;
  • im Haus einen Mieter*innen-Beirat mit umfassenden Informations- und Mitspracherechten einzusetzen (orientiert an den Bezirksmieterräten der Wohnbau Gießen GmbH);
  • ein sicheres und würdevolles Wohnen zu ermöglichen und die nötigen Investitionen im Sinne der Mieter*innen zu tätigen, d.h. unser Wohnhaus nicht länger als Kapitalanlage zu handhaben.

Wir erwarten eine substantielle Antwort auf unser Schreiben bis Freitag 3. November 2017.

 

Mieter*innen der Thudichumstraße 18-22

 

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