Besser spät als nie. Hier die Rede anlässlich der Betongoldhäuschen-Preisverleihung vom 9. September in Frankfurt. Der Presi ging an die Nassauische Heimstätte (NH). Die Nassauische Heimstätte ist eine Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mit mehrheitlicher Beteiligung des Landes Hessen.
—
Was die Frankfurter Wohnungspolitik angeht, fühlen wir uns häufig wie in dem Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ – in einer Endlos-Schleife. Außer uns selbst finden alle Beteiligten alles in Ordnung. Die kreative Stadtpolitik deutet teure und superteure Miets- und Eigentumswohnungen zu sozialer Wohnraumversorgung um. Massenhafter, neugebauter, hochpreisig verkaufter Luxus bringt mit seinem Leerstand das richtige Flair in die Stadt. Welcher anlagensuchender Investor will schon in der global city sich mit Mieter*innen befassen? Der Brexit läßt grüßen, voraussichtlich wird es also nur noch mehr Endlos-Schleifen geben.
Das „notleidende“ Kapital erfindet Betongold als Anlage und die städtische, landes-, bundes-, EU- sowie weltweite Politik die dazu nötigen Gesetze. Die Steigerungsmöglichkeiten des Luxus kennen keine Grenzen. Wo Milliardäre für Millionäre und Kapitalgesellschaften für Kapitalgesellschaften bauen – da bleibt kein Platz für 2/3 der Stadtgesellschaft, die was anderes braucht als Luxusmieten und Eigentumswohnungen. Ein paar Krumen der „Mittelstandsförderung“ simulieren sozialen Wohnungsbau.
Für die halbe Stadt, die Sozialwohnungen statt Luxusquartiere braucht, hat die städtische Politik nicht mal mehr Worte.
Einige Beispiele (von unendlich vielen).
Fangen wir mit einem (zugegebenermaßen) schwierigen Rätsel an. Wie heißt der Bau, der mit folgenden Worten „verheißungsvoll“ angepriesen wird? „Entdecken Sie das Besondere im Herzen Frankfurts und genießen Sie den Luxus.“ / „Exklusiv“ / „Stylish“ / „Visionär“ / „Anspruchsvoll“ / “ … auf höchstem Niveau einzigartige (242) Neubau-Eigentumswohnungen“ / „Leben wie am Central Park“ / „…eine Oase inmitten der Metropole Frankfurt“ / „Touch the sky“ / „Eleganz, Lebensfreude, Licht, Sonne und Grün“ / für: „anspruchsvolle Kosmopoliten“ / Quadratmeterpreise von 3.000 bis 8.000 Euro und ab dem 16. Obergeschoss wesentlich mehr. / Beim Richtfest 2015 wollte der damalige Planungsdezernent Cunitz weder von Luxus sprechen noch erkennen.
Antwort: Der Bau heißt PRAEDIUM und steht kurz vor seiner Fertigstellung. Die Mattheußer Immobilienvertriebsgesellschaft mbH, seit 2002 in Frankfurt am Main, bietet die Wohnungen dort zum Kauf „für Selbstnutzer“ und „für Kapitalanleger aus dem In- und Ausland“ an. Auf diese Firma kommen wir gleich nochmal zu sprechen.
Aber, wer hat das Praedium bauen lassen? Viele Investoren fallen uns ein. Es sind zu viele, um sie alle zu nennen. Jedoch: Überraschung – es ist die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft „Nassauische Heimstätte“ (NH). Sie baut im Auftrage des Landes Hessen hessenweit Wohnungen. Bezahlt haben es ihre Mieter*innen, mit ständigen Mieterhöhungen. Und zusätzlich, wie alle hier, mit den abgegebenen Steuern. 2016 hat sich dadurch das Jahresergebnis der NH um 44% erhöht. Ebenfalls 2016 lehnte die NH einen beinah Mietenstopp für 5 Jahre, wie bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG in Frankfurt, ab – weil sie dafür „zu sozial“ wäre. Stattdessen kann die NH 2017 mehr als 2000 qm Büroraum im Westhafen Tower mieten, sozusagen „auf Augenhöhe“ mit der europäischen Versicherungsaufsicht (EIOPA) im gleichen Gebäude.
Im Stadtteil Bornheim wiederum baut die NH auf einem Grundstück, das ihr von der Stadt in Erbpacht überlassen wird, 54 Wohnungen ab 13,50 Euro pro qm Miete. Auch sind 40 Millionen Euro noch übrig, um in Hanau ein Grundstück zu kaufen, dass die NH bisher von der Stadt mittels Erbbaurecht nutzt. Billiger kann nirgendwo ein Grundstück sein. Die darauf befindlichen 98 Wohnungen – für den Mietpreis von etwa 4 Euro pro qm – sollen abgerissen werden. Damit der Abriss möglich wird, wurde der Denkmalschutz für das Laubenganghaus aufgehoben. Neu gebaut werden 153 Mietwohnungen. 80% der Wohnungen werden dann bei 9,50 Euro pro qm beginnen. Gerade mal um die 30 Wohnungen werden – trotz Förderung (eben mit Steuermitteln) – einen Mietpreis von 6,67 Euro pro qm haben. Per Pauschale legt die NH den jetzt dort Wohnenenden den Aus- und Umzug nahe, denn sie wissen genau, daß die meisten von ihnen keine 50%ige Mieterhöhung zahlen können. (Hat irgendwer schon mal von einer 50%igen Löhnerhöhung im mittleren und Niedriglohnsektor gehört?)
Das alles nennt sich staatlich geförderte Mieter*innen-Vertreibung. Mieter*innen von NH-Wohnungen hält das nicht davon ab, schon mal Unterschriften für einen Mietenstopp zu sammeln. „Eine Stadt für Alle! – Wem gehört die Nassauische Heimstätte?“
Aber es geht alles noch teurer, noch luxuriöser, noch abgehobener. Die Mattheußer Immobilienvertriebsgesellschaft verkauft auch (wie beim PRAEDIUM) die Eigentumswohnungen im GRAND TOWER. Zur Zeit im Bau, wird dieser Turm 172 Meter hoch, wird 401 superteure Luxuswohnungen enthalten, mit 5-Sterne-Service und bis zu 19.000 Euro pro qm. „Living the high life“ bietet „Architektur für Menschen“ – die nach der Definition der gesellschaft für städtbau und projektentwicklung (gsp) natürlich „kosmopolitische Großstädter mit Anspruch an das Wohnen der Zukunft“ sind. Diese „Nutzer“ stehen für gsp im Mittelpunkt – und damit ist diese „Zukunft“ auch schon klar. gsp „entwickelt seit 1992 Großprojekte in städtebaulich prominenten Lagen“, vor allem in Berlin und Frankfurt am Main. Für den Bau reklamieren sie jetzt schon eine „hohe Nachfrage“ und das dieser „bereits für den Architekturpreis nominiert“ sei.
gsp wird einen weiteren Turm bauen, einen Steinwurf vom GRAND TOWER entfernt. Dieses nächste Hochhaus heißt TOWER 90 und wird, laut Werbung,“hängende Gärten“ aufweisen. Begrünter Luxus – sowas nennt sich green capitalism. Die NH-Gruppe will in diesem Areal den noch in Planung befindlichen SPIN-TOWER (Arbeitstitel: TOWER 120) voraussichtlich 2021 als Hotel mit 416 Zimmern betreiben.
Es ist die einzigartige Langeweile im Europaviertel – wo Luxus auf brachiale Weise Luxus schlägt. Dort befindet sich das PRAEDIUM wie der GRAND TOWER, und genau da soll der TOWER 90 wie der SPIN-TOWER gebaut werden. Direkt neben dem Stadtteil Gallus und der hat davon – neben unzähligen teuren und superteuren Neubauwohnungen – hauptsächlich steigende Mietpreise, überall.
Die Grund- und Bodenspekulation ist seit Jahren mit dem Wohnungsbau – deswegen „Betongold“ – zum Preistreiber geworden. Im Europaviertel ist das zusätzlich so brisant, weil dieser Grund und Boden Allgemeineigentum war – nämlich im Besitz der Bahn, also öffentliches Eigentum – und massiv privatisiert worden ist. Die Spekulationen mit dem Brexit und die Abstaubermentalität der Regierungen des Landes Hessen und Frankfurts sorgen für weitere sprunghafte Preissteigerungen.
Die Mattheußer Immobilienvertriebsgesellschaft mbH arbeitet mit der Nassauischen Heimstätte / mit GeRo Real Estate AG / Goldman / Lang&Cie./ BG / clavis international / opera one AG (Teil von Franconofurt, die das IVI räumen ließen)… zusammen.
Mattheußer verkauft auch Eigentumswohnungen im Hafen Offenbach und treibt dort die Gentrifizierung voran sowie die Mietpreissteigerungen im Offenbacher Nordend, welches direkt neben dem ehemaligen Hafengelände liegt.