Pünktlich zum 1. Dezember hatte die Initiative „Eine Stadt für Alle“ zu einer Kundgebung vor der Zentrale der Nassauischen Heimstätte (NH) aufgerufen. Selbst die äußeren Begleitumstände, ein eisiger Wind am Mainufer, konnte nicht wirklich abschrecken: 40 Teilnehmende, darunter eine ganze Reihe von Mieter*innen der NH aus der Miersch-Siedlung in Niederrad, erklärten ihren Protest gegen die Geschäftspolitik der NH mit ihren Mieterinnen, gegen Zwangsräumungen und mieterfeindliche Schikanen. Und sie solidarisierten sich eindeutig mit Gabrielle K., NH-Mieterin seit 1979, die unmittelbar von einer Zwangsräumung bedroht ist. Gegen die unsozialen Praktiken einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft wie z.B. der NH kann nur Widerständigkeit etwas ausrichten. Gabrielle bleibt!
Redebeitrag Stadt für Alle:
Nassauische Heimstätte – „Zuverlässig bei der Erfüllung unseres Gesellschaftsauftrags: die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit bezahlbarem Wohnraum!“
… mit solch hehren Worten verkündet die Nassauische Heimstätte auf ihrer Website ihre Geschäftspolitik. Diese NH, mit der wir uns – schon wieder – wegen ihrer Politik der Mieter*innenschikanierung und der Zwangsräumungen beschäftigen müssen. Denn die Zwangsräumung von Gabrielle ist immer noch nicht vom Tisch!
Stolz ist die NH auf ihre Geschichte als „Wohnungsfürsorge-Gesellschaft“ im Sinne des Sozialreformers und Architekten des „Neuen Frankfurts“ , Ernst May. In den 1920-er Jahren ließen die Verantwortlichen der Frankfurter Wohnungspolitik um May in kürzester Zeit 5.000 Wohnungen errichten, um dem drängenden Mangel an Wohnraum zu begegnen. Die damalige NH war als gemeinnütziges Unternehmen daran führend beteiligt.
Spätestens seit dem Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit ist von solchem sozialreformerischen Fortschritt nichts mehr zu erahnen. Heute ist die NH ein stinknormales Immobilienunternehmen und betreibt die bei solchen Unternehmen übliche Politik. Also auch Zwangsräumungen, wenn’s dem Geschäftsinteresse dient.
Allerdings gehört die NH mit knapp 60.000 Wohnungen BRD-weit zu den 10 größten ihrer Branche. Im Bundesland Hessen ist die NH der größte Player, ist im öffentlichen Eigentum des Landes und der Stadt Frankfurt. Sie kooperiert bei ihren Projekten gerne mit anderen, privatwirtschaftlichen, Immobilieninvestoren. Z.B. mit der Instone AG, mit der sie gemeinsam das derzeit größte hessische Bauprojekt entwickelt, das Schönhofviertel auf dem ehemaligen Siemensgelände zwischen Bockenheim und Rödelheim. Die NH-Werbung verspricht dort „ein Wohnerlebnis wie im Urlaub“, „ein Quartier der Superlative“. Was ist gemeint – jenseits des Werbe-Slangs? Obwohl von ihrer Geschichte der sozialen Wohnungsversorgung verpflichtet lässt die NH dort faktisch eine ganze Serie von Eigentumswohnungen errichten, genau gesagt 269, die sie gerne der vermögenden Klientel auf dem Wohnungsmarkt anbietet. Dazu noch als ein Schnäppchen der „Superlative“: Sie verweist in ihrer Werbung ausdrücklich darauf hin, dass der Erwerb dieser Wohnung steuerlich begünstigt wird – also aus dem allgemeinen Steueraufkommen subventioniert wird. Mieter*innen können lange (und am Ende vergeblich) auf derartige karitative staatliche Hilfeleistungen warten.
Eine der wohlfeilen Sprechblasen der PR-Abteilung der NH verspricht: „Wir geben Menschen ein bezahlbares Zuhause“. Schauen wir auf der NH-Homepage nach, was die NH tatsächlich für Mieter*innen ohne Millionärshintergrund auf Lager hat. Das aktuelle Angebot ist ausgesprochen dürftig: In ganzen Rhein-Main-Gebiet werden gerade einmal 5 Mietwohnungen offeriert. Ein Beispiel aus Niederrad: ein 3-Zimmerwohnung , 90qm, Miete plus Nebenkosten für 1.500.-€ – zuzüglich 3.500.- € Kaution. Sie haben einen Wohnberechtigungsschein für eine Sozialwohnung? Nützt ihnen leider gar nichts, denn Sozialwohnung hat die NH trotz ihrer Sprüche von „bezahlbarem Zuhause“ leider keine einzige im Portfolio. Pech gehabt. Aber das ist kein Wunder, denn schon seit Jahren baut die NH weniger Sozialwohnungen als Jahr für Jahr aus der Bindung fallen. Obwohl der (ehem.) Minister und NH-Aufsichtsratsvorsitzende Al-Wazir schon 2018 als Ziel für die NH vorgab, dass „mehr neue Sozialwohnungen entstehen als aus der Bindung fallen“. Schnee von gestern. Stattdessen war und ist die NH aktiv dabei, Wohnung aus ihrem Bestand zu privatisieren; 2019 nahm sie durch Verkauf von 267 Wohnungen in Hessen allein 21,2 Mio Euro ein. Zwischen 2008 und 2021, so der Abgeordnete der Linken im hess. Landtag, Schalauske, seien über 7.000 Wohnungen privatisiert worden.
Wir sehen: Die NH verhält sich, ähnlich übrigens wie die städtische ABG, wie ein ganz normaler Immobilieninvestor. Ihr letzendliche Maxime: der Profit. Und alles, was da stört, wie z.B. unbequeme Mieterinnen und Mieter, haben also wenig Gutes zu erwarten. Das einzige, was dagegen helfen kann: Widerstand der Mieter*innen, Solidarität im Quartier, Organisierung.
Wer sich wehrt, kann verlieren. Wer sich nicht wehrt, hat jetzt schon verloren!