[Stand 28. Juli 2015]

 

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Sind Mieten wirklich unpolitisch liebe ABG?

Wie die Frankfurter Rundschau(1) und das Journal Frankfurt (2) am 24. Juli 2015 berichten, plant die ABG zukünftig ihren Mietanstieg leicht zu bremsen. Konkret kündigt das städtische Unternehmen an, den Mietzuschlag für zentrale Lage zu halbieren (von 0,99€ auf 0,49€; wovon 12.000 Haushalte profitieren würden) sowie auf fünf Prozent der Miete zu verzichten, die nach dem Mietspiegel 2014 um zehn Prozent und mehr gestiegen sind.

Sicherlich entspringt dieser plötzliche Sinneswandel nicht dem sozialen Gewissen der ABG und der in ihrem Aufsichtsrat vertretenen politischen Entscheidungsträger/innen. Vielmehr zeigen nun endlich die Proteste von Mieterinitiativen, Stadtteilgruppen, Gewerkschaften und der Kampagne „Eine Stadt für Alle! Wem gehört die ABG?“ Wirkung. Vor dem Hintergrund der im März 2016 anstehenden Kommunalwahlen ist es offenbar gelungen, den politischen Druck auf ABG und Stadt so sehr zu erhöhen, so dass selbige nun zu ersten Zugeständnissen gezwungen sind.

Materiell sind diese Zugeständnisse jedoch kaum der Rede wert. Um von einer grundlegenden Umkehr der städtischen Wohnungspolitik sprechen zu können, reicht die nun angekündete leichte Minderung des Mietanstieges für bestimmte ABG-Wohnungen nichts aus. Zu einer Entspannung des Wohnungsmarktes wird dies kaum beitragen. Denn dauerhaft gesichert wird dadurch kein bezahlbarer Wohnraum, da der Anstieg lediglich etwas gebremst, aber keineswegs gestoppt wird. Auch wenn so manche/r Mieter/in von einer geringeren Mietsteigerung profitieren dürfte, unterscheidet sich die städtische ABG auch weiterhin kaum von privaten, renditeorientierten Konzernen. (3)

 

Jetzt endlich bestätigt: Miethöhe in ABG-Wohnungen ist politisch bestimmt

Viel ausschlaggebender ist jedoch der symbolische Charakter der Ankündigung. Denn eingestehen mussten ABG und stadtpolitische Entscheidungsträger/innen, dass die Miethöhe in ABG-Wohnungen sehr wohl eine politische Frage und damit verhandelbar ist. Offenkundig wird nun, dass die Miethöhe und die Art und Weise, wie die ABG ihre Wohnungen bewirtschaftet, nicht durch vermeintliche Sachzwänge bestimmt werden – wie bislang immer behauptet wurde. Daher sind die Ankündigungen als implizites Eingeständnis zu interpretieren, dass es letztlich eine Frage des politischen Willens ist, ob Menschen mit niedrigen Einkommen in der Stadt bzw. bei der ABG bezahlbaren Wohnraum finden.

Das Bündnis „Eine Stadt für Alle!“ fordert daher schon lange einen unbegrenzten Mietenstopp. Diesbezüglich belegt das von dem Stadtkämmerer Uwe Becker (CDU) und dem Stadtplanungsdezernenten Olaf Cunitz (Grüne) nun vorgelegte Zahlenmaterial erfreulicherweise, dass ein allgemeiner und unbegrenzter Mietenstopp in allen ABG-Wohnungen schon jetzt möglich ist. Vertraut man den offiziellen Zahlen, bräuchte „die ABG rund 60 Millionen Euro jährlich an Gewinnen“ (Becker), um weiterhin wie bislang investieren zu können. Da die ABG jährlich Gewinne von 65 Millionen Euro und mehr (4) erzielt und ein Mietenstopp laut Aussage von Olaf Cunitz die ABG rund 3 Millionen Euro jährlich kosten würde, wäre das Einfrieren der Mieten sogar möglich, ohne das Investitionsvolumen der ABG zu tangieren.

Bemerkenswert an den jetzt öffentlich bekannt gemachten Zugeständnissen beim Mietanstieg ist daher nicht primär die leichte Verringerung des Mietanstiegs als solchem. Viel entscheidender ist, dass die Geschäftsführung der ABG und die schwarz-grüne Stadtregierung erstens indirekt eingestanden haben, dass die Miethöhe eine politische Frage ist; und das zweitens ein unbefristeter und bedingungsloser Mietenstopp in allen ABG-Wohnungen ohne weiteres möglich wäre.

Für uns und die vielen anderen Gruppen, die sich mit der desolaten Wohnungspolitik der Stadt auseinandersetzen, bedeutet dies, dass wir auf dem richtigen Weg sind, aber der Druck auf die Stadtregierung weiter erhöht werden muss. Denn ein unbefristeter Mietenstopp und darüber hinaus die Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen der ABG ist möglich – dies zeigen die ersten Erfolge.

 

1 – http://www.fr-online.de/frankfurt/mieterhoehungen–abg-abg-kommt-mietern-entgegen,1472798,31300106.html

2 – http://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Kultur-9/Lagenzuschlag-halbiert-ABG-bremst-ihren-Mietanstieg-25004.html

3 – Gerade zu höhnisch wirkt es zudem, wenn Frank Junker zur Begründung der Halbierung der Lagezuschläge für die Innenstadt gegenüber der FR betont, dass es nicht nachzuvollziehen sei, warum gerade die Wohnungen in den zentralen Lagen, wo die ABG viele Wohnungen aus den 50er Jahren unterhalte, besonders teuer sein sollten. Denn 2012 hatte die ABG ihre Mieterhöhungen gerade mit der Einführung der Lagezuschläge gerechtfertigt.

4 – Gemäß Angabge der ABG liegt für das Geschäftsjahr 2014 ein Rekordgewinn von 68,2 Millionen Euro vor.

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Einige Zahlen und Fakten zur ABG-Holding

Unser Infoblatt, Stand Oktober 2014 [PDF, 84 kB]

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Bauen, bauen, bauen: Lässt sich die Wohnungsfrage nicht einfach durch mehr Neubau lösen?

Bauen, bauen, bauen – so klingt es aus den Frankfurter Amtsstuben sowie der ABG-Zentrale – werde die Wohnungsproblematik auch für Geringverdienende lösen. Zwar wird dabei in der Regel eingestanden, dass aufgrund der Profiterwartungen privater Investoren neuer Wohnraum fast ausschließlich im gehobenen bzw. Luxus-Segment entsteht. Allerdings würden, so zumindest das Versprechen, dank Sichereffekte und einer allgemeinen Entspannung des Wohnungsmarktes langfristig auch Haushalte mit niedrigen Einkommen indirekt von teurem Neubau profitieren. Daher sei es auch sozialpolitisch vertretbar, wenn die ABG Frankfurt Holding dem Beispiel profitorientierter Investoren folgt und Wohnungsbau überwiegend im gehobenen Segment betreibt.

Wissenschaftliche Grundlage dieser Argumentation bildet die sogenannte Filtering-Theorie, welche erstmalig 1949 von Ratcliff formuliert worden ist. Demnach profitierten auch ärmere Schichten von teurem Neubau, weil durch Umzugsketten letztlich auch günstigere Wohnungen im Bestand frei würden: Wohlhabende Haushalte ziehen in den teuren Neubau und mittlere Einkommensgruppen in die dadurch frei werdenden Wohnungen im mittleren Segment, so dass schließlich die einfachen Wohnungen für niedrige Einkommensschichten zur Verfügung stünden.

Auf theoretischer Ebene klingt dieses Argument zwar zunächst plausibel, allerdings konnte wissenschaftlich noch nirgends die empirische Gültigkeit der Filtering-Theorie belegt werden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Filtering-Theorie auf sehr restriktiven Vorannahmen beruht. Dazu zählt etwa – wie selbst deren Befürworter_innen eingestehen –, dass besagte Sickereffekte nur auf entspannten Wohnungsmärkten eintreten; also auf Wohnungsmärkten, die ein Überangebot an Wohnraum verzeichnen. Auf angespannten Wohnungsmärkten, wie etwa in Frankfurt, konnten dagegen bislang für keine Großstadt derartige Sickereffekte beobachtet werden. Grund dafür ist, dass selbst wenn wohlhabende Haushalte dank Neubau ihre günstigeren Mietwohnungen verlassen, diese Wohnungen an die neuen Mieter­_innen in der Regel weitaus teurer weitervermietet werden. Selbst dort, wo die neue „Mietpreisbremse“ gilt, kann die Miete bei einem Mieterwechsel auf bis zu 10% über die ortsübliche Vergleichsmiete angehoben werden – zumindest insofern dies der/die Vermieter/in angesichts einer angespannten Wohnungsmarktsituation durchsetzen kann. Und genau das ist in Frankfurt der Fall. Laut Wohnungsamt liegt die Wohnungsversorgungsquote bei 96,5 (Stand 2011); Tendenz weiter sinkend. Dass heißt, dass in Frankfurt für 100 Haushalte nur 96,5 Wohnungen zur Verfügung stehen (von einem entspannten Wohnungsmarkt spricht man dagegen erst ab einer Quote von 103). Unter diesen Bedingungen kann die Filtering-Theorie keine Gültigkeit beanspruchen, so dass Neubau in Frankfurt nicht dazu führt, dass bezahlbarer Wohnraum für niedrige und mittlere Einkommensschichten entsteht.

Hinzu kommt, dass selbst wenn sich irgendwann einmal eine Entspannung der Marktsituation abzeichnen würde, die Neubautätigkeit sofort drastisch zurückginge, da ab diesem Zeitpunkt die Renditeerwartungen der Investoren gefährdet wären. Denn ohne Knappheit an Wohnraum lassen sich auch keine hohen Mieten und somit auch keine „angemessenen“ Profite erzielen. Die Neubau-Strategie muss also scheitern, weil es erstens auf angespannten Märkten keine Sichereffekte gibt und zweitens profitorientierte Investoren bei einer „drohenden“ Entspannung des Wohnungsmarktes keinen Neubau mehr betreiben, da Knappheit notwendiger Bestandteil ihres Geschäftsmodells ist. Warum scheinbar ausgewiesene Wohnungsmarktexperten, wie etwa ABG-Geschäftsführer Frank Junker oder der Stadtplanungsdezernent Olaf Cunitz, solch immobilienökonomisches Grundlagenwissen nicht beherrschen, bleibt ihr Geheimnis.

Aus dem Vorherigen folgt nun nicht, dass in Frankfurt nicht auch der Neubau von Wohnungen geboten ist. Allerdings wird Neubau betrieben von profitorientierten Unternehmen aus den oben genannten Gründen alleine niemals zu einer signifikanten Entspannung bezüglich der Wohnsituation von einkommensschwachen Haushalten führen. Entgegen den fadenscheinigen Versprechungen von Junker und Co darf man sich keinerlei Illusionen hingeben. Neben dem Neubau sind tiefgreifende Maßnahmen, wie etwa ein Mietenstopp in ABG-Wohnungen und ein nicht-profitorientierter, gemeinnütziger Wohnungsbau, dringend geboten, um Wohnraum für niedrige Einkommensgruppen zu sichern.

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Geht die ABG Frankfurt Holding pleite, wenn die Mieten eingefroren werden?

Häufig wird von politischen Entscheidungsträger_innen und ABG-Leitung behauptet, dass ein Mietenstopp die ökonomische Existenz der ABG gefährde, da so langfristig die Insolvenz drohe. Die Mieten müssten demnach kontinuierlich ans Marktniveau angepasst werden, um die Bausubstanz zu erhalten, Wohnungen zu modernisieren und Neubau zu realisieren.

Vergessen wird dabei zweierlei: Erstens fordert die ABG-Kampagne lediglich, das gegenwärtige Mietniveau einzufrieren, was bedeutet auf zusätzliche Gewinne zu verzichten. Bei einem Unternehmen, was jährlich Überschüsse von 50-65 Millionen € erwirtschaftet, muss dies möglich sein. Zweitens suggeriert diese Art der Kritik, dass es keinerlei Alternative zwischen einer profitorientierten Wohnungswirtschaft (und entsprechend hohen Mieten) auf der einen Seite und politisch induziertem Missmanagement auf der anderen gäbe: Entweder man reizt sämtliche Mieterhöhungspotenziale voll aus oder das Unternehmen muss langfristig Bankrott anmelden.

Entgegen eines solch simplen Schwarz-Weiß-Bildes belegen etwa gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen (z.B. in Österreich, der Schweiz, Dänemark oder den Niederlanden), Genossenschaften sowie viele andere nicht-profitorientierte Modelle kollektiven Eigentums, dass man sehr wohl günstigen Wohnraum in hoher Qualität anbieten, Rücklagen für die Instandhaltung bilden und Neubau realisieren kann. Warum gelingt es etwa Genossenschaften in Frankfurt, solide zu wirtschaften und dabei trotzdem Durchschnittsmieten von 5,61€ sicherzustellen? Warum gelingt es kollektiven Eigentumsmodellen (wie dem Mietshäusersyndikat), ohne staatliche Förderung oder öffentliche Zuschüsse Mieten von unter 5€ anzubieten? Obwohl es also zahlreiche ‚Best Practice‘-Beispiele effektiven Wirtschaftens bei gleichzeitig niedrigen Mieten gibt, fordert die ABG Holding dagegen Mieten, die nur unwesentlich unter dem Frankfurter Marktniveau liegen (2013 lagen die ABG-Mieten im Bestand bei 7,64€/m², während der Mietspiegel 8,08€/m² betrug).

Dass es die ABG in ihrer gegenwärtigen Form nicht vermag, günstigen Wohnraum anzubieten, ist daher ausschließlich eine Frage des politischen Willens, nicht der ökonomischen Machbarkeit. Erinnert sei die ABG dabei auch an ihre eigene Geschichte als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen. Bis zur neoliberalen Wende Anfang der 1990er Jahre, im Zuge dessen die ABG erst auf Profitorientierung getrimmt worden ist, war sie sehr wohl in der Lage, günstigen Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung anzubieten und trotzdem kostendeckend zu wirtschaften. Warum dies heute nicht wieder möglich sein sollte, lässt sich ökonomisch nicht begründen.

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