Bericht zum Besuch in den ABG-Siedlungen in Praunheim und Rödelheim

Am Samstag den 27. Juni 2015 haben Aktive der Kampagne die Stadtteilspaziergänge fortgesetzt. Diesmal haben wir die ABG-Siedlungen in Praunheim und Rödelheim besucht und uns dabei mit lokalen Mieter_innen ausgetauscht. Die gesammelten Eindrücke haben wir hier zusammengestellt. Viel Spaß beim Lesen.

 

Praunheim – Heinrich-Lübke-Siedlung

„Haben Sie überhaupt die Presse mitgebracht? Die ABG soll ja erfahren, dass wir uns das hier nicht länger gefallen lassen!“ werden wir von einer Mieterin forsch begrüßt, als wir uns am Samstagnachmittag am Eingang der Heinrich-Lübke-Siedlung im Stadtteil Praunheim zum Spaziergang einfinden. Die Mieterin ist Mitglied einer Mieterorganisation im Stadtteil und eine von mehreren Bewohner_innen, die der Einladung der Kampagne „Wem gehört die ABG? – Eine Stadt für alle!“ zu einem gemeinsamen Spaziergang durch die Siedlung gefolgt sind. Zusammen sind wir über 25 Personen, die sich gegenseitig über die Geschäftspolitik und Sanierungspraktiken der ABG in der Praunheimer Siedlung austauschen.

150629_Bild1

Wir treffen uns am Eingang der Heinrich-Lübke-Siedlung bei strömendem Regen
(Gesichter wurden auf Wunsch der Mieter_innen unkenntlich gemacht.)

Die Heinrich-Lübke-Siedlung im Nordwesten Frankfurts wurde in den siebziger Jahren gebaut und umfasste ca. 600 Wohnungen, die alle in der Sozialbindung sind, das heißt die Mieten liegen bei 5 bis 6 Euro pro Quadratmeter. Vor 5 Jahren kündigte die ABG ein umfassendes Sanierungsprogramm für die Siedlung an, die Häuser wurden im Bestand renoviert und energetisch saniert. Mit Mietsteigerungen müsse gerechnet werden, hatte die ABG schon damals angekündigt, aber diese würden durch die Einsparungen bei den Energiekosten wettgemacht. Dieses Versprechen hielt die ABG, wie die Anwohner_innen verdeutlichen, aber nicht: Die Heiz- und Nebenkosten steigen trotz energetischer Sanierungen kontinuierlich und erst nach einer Unterschriftensammlung in diesem Jahr wurde die Erhöhung bei den Nebenkosten von der ABG teilweise zurückgenommen. Hier zeigt sich der Erfolg von kollektiven Aktionen – die Mieterinitiative konnte die ABG zumindest vorerst zu Zugeständnissen bewegen.

Dennoch sind die Bewohner_innen an der Grenze ihrer Belastbarkeit wegen der Umbaumaßnahmen, die die ABG ohne Einbeziehung der Bewohner_innen vorantreibt. Als Vorzeigeprojekt der Mietermitbestimmung angekündigt, hat es in der Heinrich-Lübke-Siedlung anfangs noch Informationsabende gegeben. Zu keinem Zeitpunkt hätte es aber wirklich Bemühungen gegeben, die Wünsche der Mieterschaft in die Planung einfließen zu lassen, beklagen sich die Anwesenden. Lediglich bei der Grünbepflanzung hatten die Mieter_innen Mitspracherecht. Die Einschränkung der Nutzfläche durch bodentiefe Fenster hingegen, sowie die Verkleinerung der Balkone, wie auch der Einbau von Lüftungsanlagen ohne Regelungsmöglichkeit wurde über die Köpfe der Mieter_innen hinweg entschieden.

Als unzumutbar werden auch die Belastungen für die Bewohner_innen während der nunmehr jahrelang anhaltenden Baumaßnahmen beschrieben: Hürden beim Treppenaufgang für Ältere, zeitweilige Waschcontainer im Hof während der Umbaumaßnahmen in den Bädern, ständiger Lärm, Schmutz, unbefestigte, schlammige Wege zu den Hauseingängen und Umwege zu den Mülltonnen. „Morgens Viertel vor 7 bebt die Erde, wenn sie im Hof die Fundamente für die neuen Gebäude einbringen. Dann können wir uns nicht mal mehr bei geschlossenem Fenster unterhalten“, klagt eine Mieterin in Hof 5. Dort und in Hof 4 nimmt die ABG sogenannte Nachverdichtungen vor. Das heißt, es entstehen neue Gebäude mit frei finanzierten Wohnungen, wo die ABG deutlich höhere Mietpreise verlangen wird – die Stadt hat dafür Befreiungen vom gültigen Bebauungsplan erteilt.

Eine Mieterin hatte sich nach den Mietpreisen erkundigt, da sie mit der vier-köpfigen Familie gern in eine Vier-Zimmer-Wohnung umziehen wollte. „Aber ich müsste mit 12 bis 14 € pro Quadratmeter rechnen!“ ärgert sie sich. „Das kann ich mir mit meiner vollen Stelle niemals leisten!“ Die ABG zielt hier auf den Zuzug von Besserverdienenden. Mit der direkten U-Bahn-Anbindung und der Nähe zur Nidda ist Praunheim ein gefragter Stadtteil für Wohnungssuchende und damit eine lukrativer Standort für die städtische Wohnungsgesellschaft. Die hohen Preise der Neubauten erstaunen dennoch. Denn die ABG begründet diese andernorts mit den hohen Bodenpreisen, die in die Mieten eingepreist werden müssten. Nur: In der Siedlung gehören die Grundstücke der ABG seit langem.

150629_Bild5

Nachverdichtung – Neubau in der Siedlung
(Gesichter wurden auf Wunsch der Mieter_innen unkenntlich gemacht.)

Die Strategie beschert der ABG vielerorts in der Stadt Profite. Sie nimmt daher Nachverdichtungen vor und verlangt in den neu entstandenen Wohnungen überdurchschnittliche Mieten. Ihrem Auftrag, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, kommt sie damit nicht nach. Die Bewohner_innen in der Heinrich-Lübke-Siedlung macht das wütend. Sie ärgert auch, dass die ABG bezüglich der Planungen für die neuen Gebäude kaum Informationen preisgibt. Die Mieter_innen fürchten, dass ihnen die neuen Wohnblöcke die freie Sicht nehmen werden, während Spielplätze Neubauten schon zum Opfer gefallen seien. Aber über die genauen Planungen gebe die ABG den Mieter_innen auch auf mehrmalige Nachfrage keine Auskunft.

Viele Mieter_innen sind durch die jahrelangen Baumaßnahmen in ihren Häusern und Höfen und die anhaltenden Auseinandersetzungen mit der ABG an der Grenze ihrer Belastbarkeit. „Wir sind mit den Nerven am Ende“, fasst ein Mieter die Stimmung zusammen. Dennoch werden die Bauarbeiten wohl bis 2018 andauern. Der Besuch der Kampagne „Wem gehört die ABG? – Eine Stadt für alle!“ gibt den Praunheimer_innen daher neue Energie im Kampf um eine soziale Wohnpolitik, die sich an den Bedürfnissen der Mieter_innen orientiert.

150629_Bild2

Wir haben Spuren hinterlassen

 

Rödelheim „Im Füldchen“

Noch am gleichen Nachmittag macht sich die Gruppe der Aktiven aus der Kampagne auf den Weg nach Rödelheim zur Siedlung „Im Füldchen“. Dort stehen 7 Wohnblöcke der ABG. Die überwiegend kleinen Wohnungen mit einem oder zwei Zimmern stehen teilweise schon lange leer oder sollen demnächst geräumt werden. Zwei Blöcke werden derzeit bereits entkernt und die Baumaßnahmen sind in vollem Gange. 2012 waren die 224 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen, zum erstmöglichen Zeitpunkt hatte die ABG laut Angaben der Mieter_innen eine Mieterhöhung von 15% durchgesetzt. Gleichzeitig wurde zur Versammlung eingeladen und den Mieter_innen die Planungen vorgestellt: Alle Häuser werden komplett saniert und Wohnungen überwiegend zu Drei- oder Vier-Zimmerwohnungen zusammengelegt. Ob auch nur eine neue Sozialwohnung entsteht, ist völlig offen.

Nach den Kernsanierungen gelten die Wohnungen als Neubauten, so dass der Mietpreis nicht an die vergleichsübliche Miete gebunden ist. Daher werden die neuen Mieten auch hier bei 12€ pro Quadratmeter liegen, derzeit zahlen die Mieter_innen noch rund die Hälfte. Wer sich diese Mieterhöhung und die Mehrkosten größerer Wohnflächen leisten kann, bekommt vage Rückkehrversprechungen für die Zeit nach dem Umbau. Aber schriftliche Zusagen fehlen und kaum jemand der aktuellen Bewohner_innen wird derartige Mieterhöhungen stemmen können. Unter diesen Bedingungen haben viele Mieter_innen eigenhändig nach Alternativen gesucht oder eine Wohnung der ABG anderswo in Frankfurt gemietet. Wieder sind es überwiegend Geringverdienende, die aus ihrer Nachbarschaft vertrieben werden.

150629_bild4

Zeichen des Leerstandes: abgeklebte Briefkästen

„Mir haben sie angeboten nach Eckenheim, Preungesheim oder ins Altersheim zu ziehen. Das tut schon weh. Ich möchte nämlich unbedingt in Rödelheim bleiben.“, sagt ein Mieter. Er beklagt sich auch: „Die ABG ist ja nicht einmal verpflichtet, ihre Pläne mit angemessenem Vorlauf anzukündigen. Sie kamen und haben uns was den Komplettumbau angeht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Auch hier gab es keine Spur von Mietermitbestimmung, denn sicher hätten sich die Mieter_innen gern in die Sanierungspläne eingebracht. In vielen Wohnungen ist seit den 60er Jahren keine angemessene Modernisierung vorgenommen worden, die Wohnblöcke wurden praktisch sich selbst überlassen. Schimmel an den Außenwänden, bröckelnder Putz und Einfachverglasung ist schon von außen zu erkennen. Das wird die ABG nun ändern, und wie es aussieht gleichzeitig die komplette Bewohnerschaft austauschen und günstigen Wohnraum für hunderte Menschen vernichten.

150629_Bild3

Bauarbeiten haben begonnen
Comments are closed.