Sehr geehrter Herr Junker,
wir, Aktive der Kampagne „Eine Stadt für alle! Wem gehört die ABG?“ sehen Ihre am 7. Juli 2015 in der Frankfurter Rundschau getroffene Aussage nicht auf Mietsteigerungen verzichten zu können, als symptomatisch für die verquere Logik einer als sozial verbrämten, in Wirklichkeit aber knallhart auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Geschäftsstrategie. Wir stellen zunächst einmal fest, dass die durchschnittlichen Mieten der ABG mit 7,64 Euro pro Quadratmeter nur unwesentlich unter dem allgemeinen Mietspiegel in Frankfurt von 8,08 Euro bleiben. Eine Mietwohnung zu Marktpreisen ist also im Durchschnitt kaum teurer als eine von der ABG – die Erfüllung eines sozialen Auftrags, den Sie, Herr Junker gern für die ABG reklamieren, kann hier kaum erkannt werden.
Die ABG weist regelmäßig jährliche Überschüsse in Höhe von 50 bis 60 Millionen Euro und zuletzt sogar 64 Millionen Euro aus. Die Notwendigkeit diese Gewinne zu erzielen, statt den Anstieg der Mietpreise zu bremsen, kann nicht mit Neubautätigkeit, die ja wieder auf Gewinnerzielung angelegt ist, oder durch Aufwand für Instandhaltung gerechtfertigt werden. Zudem würde das Einfrieren der gegenwärtigen Mietsätze auch nicht zu einem Einbrechen dieser Gewinne führen, sondern nur einen weiteren Anstieg verhindern. Viele Beispiele von gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen, Genossenschaften und anderen nicht-profitorientierten Modellen kollektiven Eigentums belegen zudem, dass man sehr wohl günstigen Wohnraum in hoher Qualität anbieten, Rücklagen für die Instandhaltung bilden und gleichzeitig Neubau realisieren kann. Beispielsweise gelingt es Genossenschaften in Frankfurt, solide zu wirtschaften und dabei trotzdem Durchschnittsmieten von 5,61 Euro sicherzustellen. Tatsächlich hat auch die ABG selbst bis Anfang der 1990er Jahre, als eine Wende zu konsequenter Gewinnmaximierung vollzogen wurde, durchaus günstigen Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung angeboten und trotzdem kostendeckend gewirtschaftet. Warum dies heute nicht wieder möglich sein sollte, lässt sich ökonomisch nicht begründen.
Sie, Herr Junker wehren sich ebenfalls gegen die Erhöhung des Anteils geförderten Wohnraums über 37 Prozent hinaus. Schließlich würde das dem Ziel der Erwirtschaftung eines möglichst hohen Überschusses zuwider laufen. De facto werden aber Projekte, z.B. am Bockenheimer Depot entgegen den Zielsetzungen der Stadtpolitik sogar vollkommen ohne Sozialwohnungen realisiert, und das, obwohl der Sozialwohnungsanteil in Bockenheim bereits auf nur 6 Prozent gesunken ist und preiswerter Wohnraum dort dringend benötigt wird. Die Stadtpolitik heizt die Entwicklung von Wohnungsnot und Verdrängung mit der Abschöpfung von Gewinnen der ABG weiter an, anstatt für sozialen Ausgleich zu sorgen. Die ABG-Holding arbeitet politisch gewollt weiter wie ein Immobilieninvestor – profitorientiert und mittels repressiver Geschäftspolitik. Stadtpolitik und ABG tragen somit eine wesentliche Verantwortung für die dramatische wohnungspolitische Situation in Frankfurt und der Region.
Mit freundlichen Grüßen
Aktive der Kampagne
„Eine Stadt für alle! Wem gehört die ABG?“