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Eine Stadt für Alle! Wem gehört die ABG?
Unsere Perspektiven gegen Mietsteigerung, Verdrängung und Ausgrenzung
Das Thema Wohnen spielt in Frankfurt und der Rhein-Main-Region seit einigen Jahren eine große Rolle, denn für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sind die zentralen Stadtteile kaum noch bezahlbar. Gentrifizierung heißt das Phänomen, das für viele die Verdrängung aus ihrem gewohnten Umfeld bedeutet. Hunderte von Zwangsräumungen und rücksichtloses Vorgehen gegen Mieterinnen und Mieter sind die zugespitzte Variante eines für viele im Alltag spürbar gewordenen Drucks, der sich in steigenden Mieten, Konflikten mit Vermieterinnen und Vermietern, sowie schier endlosen Wohnungssuchen bemerkbar macht.
Aber auch andere Themen beschäftigen uns. So müssen mitten in Frankfurt zahlreiche geflüchtete Menschen seit Monaten in Kirchen oder auf der Straße leben. Das politisch gewollte Scheitern des geplanten Wohnprojekts im Philosophicum und die Räumung des besetzten Hauses Leerstelle auf dem Campus Bockenheim zeigen uns, wie schlecht die Bedingungen für selbstverwaltete Kultur und alternative Lebensformen in Frankfurt sind.
Die ABG Holding – (k)ein Garant für niedrige Mieten?!
Die ABG Holding ist als größte Wohnungsbaugesellschaft in Frankfurt an diesen Entwicklungen maßgeblich beteiligt. Zu erinnern ist hier etwa an den Verkauf des Philosophicums an einen profitorientierten Investor, den Bau hochpreisiger Eigentumswohnungen oder den weitgehenden Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau. Bei der ABG-Tochter Saalbau sind die Preise für Veranstaltungsräume mittlerweile so hoch, dass viele Vereine und Initiativen sich diese nicht mehr leisten können – bei gleichzeitiger Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten. Das Ziel der ABG ist, wie bei jedem anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen, der Profit. Soziale Belange stehen nicht im Vordergrund.
Dabei wurde die ABG 1890 als ‚Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen‘ gegründet und befindet sich bis heute zu beinahe 100 Prozent im Besitz der Stadt Frankfurt. Sie war ursprünglich ein Instrument, um Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen – weil der ‚freie Markt‘ dies schon damals nicht vermochte.
Die Notwendigkeit, Wohnraum jenseits der Marktlogik bereitzustellen, besteht heute genauso wie 1890. Aber die Form, dies zu organisieren, muss den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Wie, darüber haben wir uns in den letzten Monaten ausgetauscht und beraten. Dass die Stadt die ABG als privatwirtschaftliches Unternehmen betreibt, das jedes Jahr über 50 Millionen Euro Gewinn erzielt und aus dem die Stadt jedes Jahr rund 6.000.000 € Gewinn abschöpft, während es gleichzeitig an Wohnraum für Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen mangelt, finden wir untragbar.
Jeder Mensch hat ein Recht auf Wohnen. Die Stadt Frankfurt verfügt mit der ABG über ein Viertel aller Mietwohnungen und ist einer der großen Akteure im Wohnungsbau. Damit könnte die Stadt die Entwicklung des Wohnungsmarktes maßgeblich beeinflussen. Wir erachten es als ihre Aufgabe, dies auch zu tun. Zugleich wissen wir, dass dies ohne Druck kaum geschehen wird – diesen Druck müssen und können wir nur gemeinsam erzeugen.
Die ABG und ihre Politik verändern
Ein erster Schritt, um wieder bezahlbaren Wohnraum für Alle bereitzustellen, wäre die Entscheidung, dass in den Wohnungen der ABG keine weiteren Mieterhöhungen vorgenommen werden. Die Stadt könnte die ABG schon morgen dazu veranlassen, auf Anträge zur Zwangsvollstreckung zu verzichten – dass sie dies nicht tut, ist politischer Unwille. Weil viele Mieterinnen und Mieter heute bereits an der Grenze der Belastbarkeit sind, wäre der nächste notwendige Schritt, die Mieten zu senken.
Ebenso wichtig ist eine Demokratisierung der ABG. Dies umfasst zwei Aspekte. Zum einen sind die grundlegenden Entscheidungen über das Vorgehen der ABG wieder an das Stadtparlament zu übertragen. Sie wie im Moment als privatwirtschaftliches Unternehmen zu führen ist eine politische Entscheidung. Die Stadt nimmt sich damit aus der Verantwortung und lässt politische Fragen als primär ökonomische bearbeiten. Die Stadt muss ihre Verantwortung für die ABG wieder wahrnehmen und die Entwicklung der ABG einer politischen Aushandlung unterstellt werden.
Zum anderen ist auch eine Stärkung der Entscheidungsrechte der Mieterinnen und Mieter unerlässlich. In einem ersten Schritt könnte dies bedeuten, dass ohne die Zustimmung der Betroffenen keine Veränderung des bestehenden Mietverhältnisses (Mieterhöhung, Renovierung, Kündigung) mehr möglich wäre. Perspektivisch sollen die Mieterinnen und Mieter in Form von Mieter_innenräten an den grundlegenden Entscheidungen über die Ausrichtung der ABG beteiligt sein. Langfristig muss die ABG basisdemokratisch von unten nach oben, statt von oben nach unten aufgebaut werden. Denn wir akzeptieren es nicht, dass über so einen grundlegenden Lebensbereich wie das Wohnen Profitinteressen entscheiden. Für ein freies und selbstbestimmtes Leben ist es notwendig, dass die betroffenen Bewohner_innen der Stadt selbst darüber entscheiden können, wie und wo sie wohnen wollen.
In welchem Verhältnis diese beiden Aspekte von Demokratisierung zueinander stehen, darüber muss auch weiterhin offen und kontrovers diskutiert werden. Darin, dass Stadtentwicklung und die Aufstellung der ABG-Politik keine primär ökonomische Frage mehr sein dürfen, sondern wieder zu einer politischen Frage werden müssen, sind wir uns einig.
Die politische Frage der Stadtentwicklung umfasst jedoch mehr als nur Wohnraum. Wir sehen die ABG daher auch in der Pflicht, Räume für diejenigen bereitzustellen, die ausgegrenzt werden. Es liegen gute Vorschläge für konkrete Projekte auf dem Tisch. Wir denken an die Initiative des Fördervereins Roma ein soziales Projekt für Sinti und Roma auf dem Campus Bockenheim einzurichten. Oder an das Projekt Shelter, mit dem antirassistische Gruppen Unterstützung für geflüchtete Menschen anbieten wollen. Ein erster Schritt wäre, diese Projekte mit Räumen und finanziellen Mitteln zu unterstützen. Perspektivisch sollte die ABG Strukturen schaffen, die es Menschen ermöglichen, selbst initiativ zu werden und Verantwortung für eine inklusive und solidarische Gesellschaft zu übernehmen.
Eine Stadt für Alle!
Unser Wunsch ist eine Stadt für Alle, eine Stadt in der Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen nicht an den Rand gedrängt werden, in der keine Menschen auf der Straße schlafen müssen, in der die Stadt demokratisch entwickelt wird und nicht ökonomisch. Dazu muss die Stadt für die Wohnraumversorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen. Dies wird nicht von selbst geschehen, sondern nur, wenn wir gemeinsam dafür eintreten und uns dafür organisieren.
Ein erster Schritt in Richtung einer Stadt für Alle ist eine demokratisierte Wohnungsbaugesellschaft, die in der Lage und Willens ist, auf die derzeit drängenden Probleme Antworten zu finden. Um ein genaueres Bild zu vermitteln, wie eine solche ABG 2.0 aussehen könnte, führen wir im Folgenden eine Reihe von Forderungen an. Diese stellen kein fertig ausgearbeitetes Konzept dar, sondern dokumentieren, in welche Richtung unsere Diskussion um Lösungsansätze derzeit geht. Wir hoffen, Sie und Euch damit anzusprechen und für gemeinsame Diskussionen, Aktionen und Proteste in der Rhein-Main-Region gewinnen zu können!
Rhein-Main Region 27.03.2015